Monika Griefahn
1. Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Meine beruflichen Tätigkeiten haben sich aus meinem ehrenamtlichen Engagement entwickelt. Ich habe Sozialwissenschaften studiert und mich in Bürgerinitiativen engagiert. In meiner ersten Stelle als Bildungsreferentin beim CVJM habe ich auch Umweltprojekte durchgeführt. Dadurch habe ich Greenpeace kennengelernt und in Deutschland mitgegründet. Aus diesem Engagement heraus wurde ich bekannt und der damalige Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in Niedersachsen, Gerhard Schröder berief mich zur Umweltministerin in Niedersachsen. Nach acht Jahren im Amt kandidierte ich als Bundestagsabgeordnete.
2. Wer hat Sie in Ihrem beruflichen Umfeld am stärksten unterstützt? Hatten Sie Vorbilder, die Ihren Werdegang beeinflusst haben?
Ich habe mich in der SPD engagiert, weil ich aus dem Ruhrgebiet komme und Willy Brandt damals wegen der Luftverschmutzung den „blauen Himmel über der Ruhr“ ausgerufen hat.
3. Wenn Sie an Ihre aktuelle Arbeit denken, können Sie positive wie auch negative Aspekte nennen?
Im Moment arbeite ich freiberuflich, konzipiere und organisiere Veranstaltungen, halte Vorträge und unterrichte an einer Hochschule. Das ist klasse, da ich selbst über meinen Tagesablauf bestimmen kann und auch mit welchen Themen ich mich beschäftige. Schwierig ist – aber das gilt für alle Freiberufler – immer am Ball zu bleiben, Kontakte zu knüpfen, neue Aufträge zu bekommen und alles logistisch unter einen Hut zu bringen.
4. Wie stellen Sie Ihre „Work-Life Balance“ her, also die Vereinbarkeit, bzw. den Einklang von Beruf und Privatleben?
Mein Mann und ich sind beruflich viel unterwegs – und zwar fast immer unabhängig voneinander. Zwei meiner drei Kinder sind inzwischen auch schon ausgezogen. Sie mussten immer sehr selbstständig sein. Darum genießen wir es als Familie, mindestens einmal im Jahr, miteinander Zeit zu verbringen. Auch zu Festtagen wie Weihnachten oder Ostern sind wir alle beisammen und das ist auch allen viel wert. Wir kochen dann miteinander und reden viel. Ich glaube das funktioniert so gut, weil wir alle das Bedürfnis haben, unser eigenes Leben zu gestalten. Darum akzeptieren wir es auch bei den anderen, wenn sie viel unterwegs sind. Ich selbst versuche auch regelmäßig Sport zu machen.
5. Was sind Ihre persönlichen Interessen, die vielleicht auch zu ihrem Beruf geführt haben?
Bei mir hat sehr deutlich auch die eigene Betroffenheit mit einer Kindheit im Ruhrgebiet zu dem Bewusstsein geführt, dass wir Teil der Umwelt sind. Ich habe mich immer engagiert: In der Schule als stellvertretende Schulsprecherin, in Göttingen während des Studiums in verschiedenen Bürgerinitiativen und später eben für Greenpeace. Aber ich bin auch kulturell sehr interessiert, gehe gerne ins Kino oder Theater oder ins Konzert. Darum fand ich auch sehr spannend, dass ich im Bundestag zu den Themen Kultur und Medien, besonders in der Auswärtigen Politik wie für die Goethe-Institute oder die Deutsche Welle arbeiten konnte.
6. Mit welchen Problemen hatten Sie während Ihres Karriereverlauf zu kämpfen?
Schon während meiner Diplomarbeit am DESY – dem Deutsche Elektronen-Synchrotron – wurde ich gefragt, ob ich denn keinen Mann finden würde. Und bei Greenpeace war ich die erste Frau im internationalen Vorstand. Als Ministerin habe ich während der Amtszeit zwei Kinder bekommen, da gab es immer viel Unverständnis und Kampf, aber auch erleichterte Wählerinnen. Frauen mit eigener Meinung werden schnell als zickig gebrandmarkt, wo Männer durchsetzungsfähig genannt werden. Ehrlich gesagt glaube ich auch, dass sich daran noch gar nicht so viel geändert hat, es wird nur nicht mehr so offen gemacht, sonst wären ja langsam mal mehr Frauen in den Chefetagen und Aufsichtsräten. Sich nach einem Bundestagsmandat wieder zu orientieren, ist nicht so einfach. Ich habe ein Jahrzehnt immer auf 150 Prozent gearbeitet, davon runterzukommen und etwas Neues zu finden, ist ein Prozess. Ich möchte weiterhin Dinge bewegen und etwas tun, was sinnvoll und fordernd ist. Für die freie Wirtschaft, so meine Erfahrung, war mein Lebenslauf nicht geradlinig genug.
7. Welche Empfehlungen haben Sie für Absolventinnen in diesem Berufsfeld?
Man kann die Arbeiten, die ich gemacht habe, nur mit Herz machen und braucht viel Energie. Anfang der 80er Jahre habe ich für den Atomausstieg gekämpft, jetzt im Jahr 2010 stehe ich wieder in Menschenketten gegen Atomkraft, weil die neue Regierung nur zurück geht anstatt nach vorne. Das kann deprimieren, man braucht einen langen Atem und tiefe Überzeugungen davon, was richtig und falsch ist auf der Welt. Vielleicht wäre es klug zu taktieren, aber mir hat das nie behagt. Also hilft nur am Ball bleiben.
8. Spielt Gleichstellungsarbeit in Ihrem Berufsfeld eine Rolle? Wie beurteilen Sie die Geschlechterverhältnisse und Ihre Rolle als Frau in Ihrem Beruf?
Schon meine Diplomarbeit handelte von der Integration von Frauen an der Universität, da während meiner Studienzeit viele Frauen das Studium abgebrochen haben. Das Gegenteil ist heute der Fall – viele machen bessere Abschlüsse als ihre männlichen Kommilitonen. Und wenn ich, zum Beispiel während meiner Bundestagszeit oder als Ministerin, auf Gruppenfotos zu sehen war, war ich oft die einzige Frau. Gleichstellungsarbeit ist es im Prinzip bis heute, selbst da zu sein und seinen Weg in der Männerwelt zu gehen. Das geht übrigens nicht ohne den Mann – meiner hat viel zu Hause gemacht, als die Kinder klein waren und ich unterwegs. Ich wollte unbedingt Familie, aber ich wollte auch meinen Beruf – in einer Zeit, in der Frauen sich oft genug für das eine oder das andere entschieden haben. Heute sagen Frauen offen, dass sie beides wollen und nehmen die Männer in die Pflicht. Doch noch immer laufen sie gegen dieselben Wände. Wer fragt bei einer Geschäftsreise einen Mann, der drei Kinder hat, wie er das alles managt? Eine Frau wird das ständig gefragt. Das muss aufhören und dafür brauchen wir ordentliche Kindertagesangebote als Bildungsangebote: Kinderkrippen, Kindergärten, Ganztagsschulen mit einem Musik- und Theaterangebot oder Sportangeboten. Je mehr Frauen selbstverständlich beides einfordern – Familie und Beruf, je normaler Väterzeiten werden, desto einfacher wird es werden. Viele junge weibliche Bundestagsabgeordnete machen das vor.