Monika Gotzes-Karrasch

1. Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Während meines sozialwissenschaftlichen Studiums in den1970er Jahren habe ich mich aus persönlichem Interesse und beeinflusst durch die neue Frauenbewegung u. a. mit frauen- und gleichstellungspolitischen Themen beschäftigt – neben vielen anderen Inhalten und ohne die Erwartung, das jemals beruflich nutzen zu können. Aber gerade zum Zeitpunkt meines Studienabschlusses wurden die ersten Gleichstellungsstellen auf Landes- und kommunaler Ebene eingerichtet. Ich habe mich auf eine Ausschreibung in der „Zeit“ als Mitarbeiterin der Gleichstellungsstelle in der Hessischen Staatskanzlei beworben und die Stelle tatsächlich – trotz zahlreicher Konkurrentinnen mit langer Berufserfahrung – bekommen.


2. Wer hat Sie in Ihrem beruflichen Umfeld am stärksten unterstützt? Hatten Sie Vorbilder, die Ihren Werdegang beeinflusst haben?
Meine unmittelbaren Vorgesetzten – im Laufe meines Berufslebens drei Frauen und vier Männer – waren mir eigentlich ganz wohl gesonnen und haben mich inhaltlich und in meinem beruflichen Fortkommen unterstützt.
Direkte Vorbilder hatte ich nicht, aber ich habe immer aufmerksam meine KommilitonInnen und meine KollegInnen beobachtet: Ich konnte deren Qualifikation und Stärken einschätzen und oft hat mich das auf Ideen für meine eigene Weiterentwicklung gebracht. Umgekehrt habe ich auch anderen Unterstützung und Beratung angeboten und ich bin bis heute eine große Anhängerin von Netzwerk- und Mentoring-Ideen.


3. Wenn Sie an Ihre aktuelle Arbeit denken, können Sie positive wie auch negative Aspekte nennen?
Positiv sind sicher die Vielseitigkeit meines Arbeitsfeldes und die großen Gestaltungsmöglichkeiten: Mein Dezernat umfasst die Bereiche Soziales, Jugend, Sport, Bildung, Schulen, VHS und Kultur. Außerdem vertrete ich den Bürgermeister innerhalb der Stadtverwaltung. Die wesentlichen Aufgaben bestehen darin, die Angebote der Stadt in diesen Bereichen aufzubauen, ihre Funktionsfähigkeit zu sichern und sie fortzuentwickeln.
Was die Arbeitsbedingungen betrifft, gibt es Vor- und Nachteile: die zeitliche Belastung ist hoch, weil neben dem Tagesgeschäft oft Termine abends und an den Wochenenden stattfinden. StadträtInnen werden vom Rat für einen bestimmten Zeitraum gewählt (in Niedersachsen für 8 Jahre) und bei veränderten politischen Mehrheitsverhältnissen kann es passieren, dass jemand trotz guter Arbeit nicht wieder gewählt wird und sich einen anderen Job suchen muss. Dafür sind diese Positionen aber gut bezahlt (für die Verhältnisse im Öffentlichen Dienst, in der Privatwirtschaft sind die Konditionen nicht vergleichbar).


4. Wie stellen Sie Ihre „Work-Life Balance“ her, also die Vereinbarkeit, bzw. den Einklang von Beruf und Privatleben?
Das ist wegen der langen und wechselnden Arbeitszeiten nicht ganz einfach. Als meine beiden Kinder noch klein waren, ging das nur mit Unterstützung meines Partners und Babysitter, Kindermädchen, Au Pair, Kindergarten und Hort. In diesem Dauerstress habe ich mir vorgenommen: „Ich erhole mich im Büro von Zuhause und Zuhause vom Büro“. Na ja, es hat nicht immer funktioniert… aber seit meine Kinder erwachsen sind, bin ich sehr viel relaxter. Freizeit habe ich fast nur am Wochenende und im Urlaub. Ganz wichtig ist mir dann Stressabbau durch Sport, das muss einfach sein.


5. Was sind Ihre persönlichen Interessen, die vielleicht auch zu Ihrem Beruf geführt haben?
Mein Gerechtigkeitsspleen hat mich immer angetrieben, gegen Ungerechtigkeiten jeglicher Art anzugehen. Da passt Sozialpolitik, Bildungspolitik und Gleichstellungsarbeit prima.


6. Mit welchen Problemen hatten Sie während Ihres Karriereverlauf zu kämpfen?
Ich bin schon relativ jung in Führungspositionen gekommen und war zuerst die einzige Stadträtin weit und breit. Das hat manche Männer verunsichert und zu Machtspielchen und provokanten Äußerungen veranlasst. Aber als Gleichstellungsbeauftragte hatte ich eine harte Schule hinter mir und konnte das ganz gelassen parieren.


7. Welche Empfehlungen haben Sie für Absolventinnen in diesem Berufsfeld?
Wenn Sie in der kommunalen Verwaltung arbeiten wollen und keine Verwaltungsausbildung haben, geht es nur per Quereinstieg: Als Sozial- oder Geisteswissenschaftlerin können Sie sich z.B. auf Stellen bewerben, in denen Ihre Qualifikationen hilfreich sind - als Gleichstellungsbeauftragte, als Integrations- oder Ausländerbeauftragte, in der Sozial- und Bildungsplanung, in Pressestellen oder Büros für Städtepartnerschaften. Wenn Sie solche Arbeitsfelder in Betracht ziehen, sollten Sie sich auch um praktische Erfahrungen z.B. durch Praktika bemühen.


8. Spielt Gleichstellungsarbeit in Ihrem Berufsfeld eine Rolle? Wie beurteilen Sie die Geschlechterverhältnisse und Ihre Rolle als Frau in Ihrem Beruf?
In den Kommunalverwaltungen sind Frauen auf dem Vormarsch, aber in den Spitzenämtern sind sie immer noch unterrepräsentiert. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten leisten gute Arbeit, um Frauen zu unterstützen und das Bewusstsein für Benachteiligungen in den verschiedenen relevanten Politikfeldern zu erhöhen. Erfreulich sind das gestiegene Selbstbewusstsein und die gute Qualifikation vieler junger Frauen. Die Ausrede, es gäbe keine geeigneten Bewerberinnen, zieht nicht mehr.