Katja Ngassa Djomo

1. Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Nach meinem Abitur 1998 habe ich zunächst eine Ausbildung zur Tischlerin gemacht und danach in Kultur- und Begegnungsstätten in Süddeutschland und Sizilien gearbeitet. Nach einem längeren „Work and Travel“-Aufenthalt in Ozeanien, Australien und Neuseeland konnte ich meine dort gewonnenen Erfahrungen im Jahr 2000 als Assistentin der Geschäftsführung und Pressesprecherin des Südpazifik-Forums auf der Weltausstellung in Hannover nutzen. Geprägt von diesen Eindrücken und den Reisen, begann ich 2001 ein Studium der Ethnologie und Pädagogik in Göttingen. Während des Studiums setzte ich mich als Wissenschaftliche Hilfskraft im Bereich der „Qualitativen Sozialforschung“ vor allem im Kontext von Menschen mit Migrationshintergrund ein. 2006 konnte ich das Studium mit einem Magister abschließen und wurde als Studienberaterin am Ethnologischen Institut der Georg-August-Universität Göttingen angestellt, wo ich auch einen ersten Co-Lehrauftrag erhielt. Ein Jahr später wagte ich den Sprung in die Praxis. Im Ethno-Medizinischen Zentrum e.V. in Hannover arbeitete ich zunächst als Koordinatorin eines bundesweiten Projekts, später als Leiterin eines landesweiten Projekts zur Chancengleichheit von Migrantinnen und Migranten im Gesundheitssystem. Im Oktober 2010 bot sich mir die Möglichkeit mein berufliches Profil zu weiten und ich arbeite seitdem in der Funktion einer Stabsstelle für die STEP gGmbH. Diese ist einer der größten Jugend- und Suchthilfeträger Deutschlands und eine Tochtergesellschaft des Paritätischen Niedersachsen e.V. In mehr als 20 Einrichtungen in Hannover und anderen Orten Niedersachsens werden Angebote in den Bereichen von offener Szenearbeit, Beratungsstellen, Substitutionseinrichtungen, Tagesklinik, stationären therapeutischen Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Betreutem Wohnen, eigener Therapie-Schule, Nachsorgeeinrichtungen und Arbeitsprojekten gemacht. Hier bin ich für das trägerübergreifende Qualitätsmanagement zuständig.


2. Wer hat Sie in Ihrem beruflichen Umfeld am stärksten unterstützt? Hatten Sie Vorbilder, die Ihren Werdegang beeinflusst haben?
Ich denke, dass ein zunächst so wenig linearer Berufsweg wie meiner eine große Freiheit „im Kopf und im Geldbeutel“ fordert. Diese Freiheit wurde mir durch meine Eltern gegeben, die in diesem Sinne auch meine größten Unterstützer sind. Sie haben mich nicht nur in meinen Ausbildungen finanziell unterstützt, sondern mir auch immer das Gefühl vermittelt, dass ich einen Beruf meinen Neigungen und Begabungen entsprechend aussuchen kann und es okay ist, wenn die Suche danach länger dauert. So konnte ich mich für Schritte entscheiden, hinter denen man vielleicht keine steil verlaufende Karriere (oder auch nur überhaupt irgendeine Karriere) vermuten würde.
In Ausbildung und Studium genauso wie in meinem beruflichen Umfeld gab es dann unterschiedliche positive Vorbilder. Zum Beispiel haben mich im Studium zwei Hochschullehrerinnen stark unterstützt, indem sie mich motiviert haben meinen Interessen zu folgen und ein spezifisches Profil zu entwickeln und mir Selbstvertrauen in Hinsicht auf meine Fähigkeiten vermittelt haben. Aber auch verschiedene Freundinnen und Freunde, Kommilitonen und Kolleginnen haben mich durch ihre Problemlösungs- und Kommunikationskompetenz, ihre Authentizität und ihr Handeln beeindruckt und geprägt.


3. Wenn Sie an Ihre aktuelle Arbeit denken, können Sie positive wie auch negative Aspekte nennen?
Ich arbeite ganz grundsätzlich gerne in meinem Beruf. Vor allem deswegen, weil ich die Arbeit in einem Unternehmen der Sozialwirtschaft als sinnvoll und selbstverwirklichend erlebe. So steht auch bei meiner eher konzeptionell und systemisch ausgerichteten Arbeit immer der Mensch im Mittelpunkt. Besonders positive Aspekte sind die Anforderungsvielfalt der Tätigkeit, eine große Autonomie – ich arbeite stark eigenverantwortlich, habe aber die benötigte Unterstützung durch Kollegen und meinen Vorgesetzten – und das Betriebsklima sowie die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Auch die bestehende Kommunikationskultur erlebe ich als positiv. Ein eher ambivalenter Aspekt ist die geforderte Flexibilität. Auf der einen Seite bin ich froh, in wenig statischen Strukturen zu arbeiten, auf der anderen Seite ist der Druck, der sich aus der nicht immer klar kommunizierten Forderung nach physischer und psychischer Flexibilität ergibt, recht groß. Ebenfalls problematisch ist, dass zwar eine inhaltliche berufliche Weiterentwicklung möglich ist und gefördert wird, dieses Engagement aber aufgrund der tariforientierten Gehälter in unserem Unternehmen nicht vergleichbar zur freien Wirtschaft honoriert werden kann.


4. Wie stellen Sie Ihre „Work-Life Balance“ her, also die Vereinbarkeit, bzw. den Einklang von Beruf und Privatleben?
Ich versuche mein „Work“ und mein „Life“ nicht einander gegenüberzustellen sondern miteinander zu verbinden, denn Sinnerfüllung und Selbstverwirklichung suche ich in beiden Bereichen. Da wir noch keine Kinder haben und mein Partner ebenfalls viel und gerne arbeitet, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch recht einfach hinzubekommen. Um möglichst ausgeglichen zu sein bemühe ich mich um eine Balance zwischen aktiven Phasen und Ruhe und Erholung. Gute Begegnungen und Austausch mit Menschen auch außerhalb der Arbeitswelt sind wichtig, wobei hier nicht nur Quantität, sondern vor allem Qualität zählt.


5. Was sind Ihre persönlichen Interessen, die vielleicht auch zu Ihrem Beruf geführt haben?
Die Themen, dich mich begleitet haben sind immer dieselben: Offenheit für Menschen und neue Situationen, Interesse an „anderen“ Kulturen und Reisen, Lust am Gestalten und Neugier.


6. Mit welchen Problemen hatten Sie während Ihres Karriereverlauf zu kämpfen?
Als Tischlerin in einem eher männerdominierten Beruf hatte ich mit Vorurteilen durch Kollegen und Kunden zu tun. Ich habe mich zum Beispiel bestimmt bei 40 Tischlereien beworben, bevor ich eine Lehrstelle bekommen habe. In meinem zweiten, akademischen Beruf habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich lieber ein Team leite und meine Arbeit frei gestalte und inhaltlich Einfluss nehmen möchte als „nur“ Teil des Ganzen zu sein - damit eckt man halt auch mal an.
Bedenkt man, dass ich als Pädagogin und Ethnologin nun nicht gerade zu den am meisten gesuchten Berufsgruppen auf dem Arbeitsmarkt gehöre, habe ich bisher relativ wenige Durststrecken durchwandern müssen. Als Hindernis erlebe ich aber die in diesem Sektor fast ausschließlich befristeten Verträge, mit denen keine Sicherheit gewährleistet ist. Auch dadurch entsteht ein hoher Leistungsdruck, sich immer wieder zu bewähren und zu empfehlen, da eine Nichtverlängerung eines Vertrages eben auf einen sehr unsicheren Arbeitsmarkt und eine durchaus wahrscheinliche Arbeitslosigkeit weist.


7. Welche Empfehlungen haben Sie für Absolventinnen in diesem Berufsfeld?
Ich habe im Studium versucht meine beiden Fächer möglichst früh miteinander zu kombinieren und daraus ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Deswegen habe ich mich stark auf die größeren thematischen Zusammenhänge und Schnittstellen der beiden Studienfächer konzentriert wie Migration und Identitäten, Organisationsentwicklung und die empirische Sozialforschung. So bin ich zwar nicht zu einer Expertin für spezifische Elemente geworden, kann aber systemisch an mehreren Themen arbeiten. Darüber hinaus empfehle ich starkes Engagement und Eigeninitiative. Meine Erfahrung ist, dass man „drüber sprechen“ muss, was man anstrebt und dass sich aus dem persönlichen Kontakt Möglichkeiten in beruflichen Kooperationen ergeben können. Bereits im Studium Kontakte und Netzwerke zu knüpfen, kann beim Einstieg und der Weiterentwicklung im Beruf helfen.


8. Spielt Gleichstellungsarbeit in Ihrem Berufsfeld eine Rolle? Wie beurteilen Sie die Geschlechterverhältnisse und Ihre Rolle als Frau in Ihrem Beruf?
Konkrete Gleichstellungsarbeit spielt in meinem Beruf keine Rolle. Allerdings arbeite ich systembezogen für das ganze Unternehmen und hier sind mehr Frauen als Männer tätig. Wahrscheinlich liegt das an der sozialen Ausrichtung der Arbeit im Suchthilfeträger: Die Hauptbeschäftigtengruppe sind SozialpädagogInnen/SozialarbeiterInnen und diese ist immer noch weiblich dominiert. Frauen und Männer verdienen in den gleichen Positionen das gleiche Gehalt, da wir nach stellenbezogenen Entgeldgruppen bezahlt werden, eine Aushandlung der Gehälter und damit oft einhergehende Lohnbenachteiligung für die weiblichen Beschäftigten findet nicht statt. In den Leitungsebenen sind Frauen unterrepräsentiert. Allerdings hat sich die Situation in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert und strukturell wird einiges getan um Frauen zu fördern.