Forschungsprojekte
Die Werke aus Stein im Herzog Anton Ulrich-Museums (HAUM) Braunschweig
Projektpartner:
Prof. Dr. Manfred Luchterhandt, Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke, Prof. Dr. Jochen Luckhardt, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig
Mitarbeiter: Dr. Kerstin Grein, Dr. Marion Hilliges
Wissenschaftliche Hilfskraft: Sophie Jennert
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Ziel dieses Gemeinschaftsprojekts von Museum und Universität ist die Publikation eines Bestandkataloges für die Steinskulpturen des HAUM in Braunschweig, das 2017 neu eröffnet wird. Die Publikation schließt die Erarbeitung der fürstlichen Sammlungsgeschichte und thematische Untersuchungen einzelner Werkgruppen ein. Das Projekt setzt die 2013 abgeschlossene Publikation der Glaskunstbestände fort und wird von der Stiftung Niedersachsen mit 198.000 € gefördert.
Die Publikation wird von Studierenden unter Betreuung von Wissenschaftlern aus Museum und Universität und in Zusammenarbeit mit auswärtigen Fachleuten gemeinsam erstellt. Sie umfasst die grundlegende Erschließung des Bestandes von 202 Objekten (Datierung, Künstler, Herkunft, Ikonographie, Vorbilder etc.), aber auch Untersuchungen zu Kunstmarkt und Sammlungsgeschichte, zu Erwerb, Gebrauch und Bedeutung bestimmter Objektklassen am fürstlichen Hof der Frühen Neuzeit.
Der Lateranpalast im Mittelalter: Zeremoniell, Bildkult und heilige Objekte am päpstlichen Hof.
Studien zur historischen Anthropologie eines europäischen ‚Lieu de mémoire‘
Die Studie untersucht in Verknüpfung verschiedener Forschungsansätze den Funktions- und Bedeutungswandel des päpstlichen Lateranpalastes vom Wohnhaus des römischen Bischofs zum Pilgerschrein für eines der prominentesten Kultbilder des europäischen Spätmittelalters. Schon im Frühmittelalter durch Heiltümer, Wunderbilder und päpstliche Zeremonien sakral aufgeladen, entwickelt die päpstliche Residenz im Hochmittelalter durch ihren schleichenden Funktionsverlust als Wohnsitz für Papst und Kurie, durch die Konstruktion neuer historischer und hagiographischer Legenden und nicht zuletzt durch den wachsenden Kult um ihre Palastikone schließlich eine neue Identität als Hagiotopos und römischer Erinnerungsort, die schon vor dem Avignoneser Exil zur faktischen Realität wird.
Gradmesser dieser kulturgeschichtlichen Umdeutung ist das instabile Verhältnis zwischen den weltlichen Bedürfnissen eines Papsthofes und der sakralen wie historischen Identität des Ortes, die in dem praktischen und zeremoniellen Umgang mit den Objekten des Patriarchiums, seinen Bildern und Reliquien zum Ausdruck kommt.
Die Studie geht hervor aus einer Dokumentation des mittelalterlichen Patriarchiums. Die 1999 publizierten Ergebnisse zur Archäologie des Palastkomplexes fanden bereits ein breites internationales Echo über die Fachgrenzen hinaus (Gigliozzi 2003; Bauer 2004; Augenti 2004; Monciatti 2005; Le Pogam 2005; Brenk 2005; Kinney 2006; Untermann 2006; Bojcov; Goodson 2010). Erweitert auf andere Bilder und Orte soll sie als Teilprojekt des Internationalen Forschungsnetzwerks „Monuments and Memory“ die Bedeutung ähnlicher loca sancta für die Erinnerung und Konzeptualisierung von Vergangenheit und Identität in sich wandelnden kulturellen Kontexten untersuchen.
Bilder und Objekte in zeremoniellen und kommunikativen Kontexten
Der rituelle Gebrauch und Einbezug von Ikonen, Kreuzen, Objekten und Schauplätzen in zeremonielle und sakrale Handlungen (Adventus, Prozessionen, Akklamationen, Laudes, Memorialhandlungen) bietet zahlreiche Möglichkeiten für Einzeluntersuchungen von der Nachantike bis zum Spätmittelalter. Eine Reihe von Einzelstudien widmet sich lange übersehenen Gebrauchsformen des Bildes im kirchlichen und höfischen Milieu: Hierzu gehören Studien zur Bedeutung des mönchischen Stundengebets für die Entfaltung neuer Formen des italienischen Tafelbildes, zur Entstehung des karolingischen Großkreuzes als Ort des mönchischen Totengedächtnisses und früher Stiftergräber sowie zur Verwendung von Ikonen in Herrscherakklamationen des byzantinischen Kaiserhofes und im frühmittelalterlichen Rom. Als Teil einer Kulturgeschichte symbolischer und medialer Kommunikationsformen ist dieser epochenübergreifende Schwerpunkt besonders geeignet für den Austausch mit Disziplinen wie der Kirchengeschichte, der Byzantinistik, der kulturwissenschaftlichen Ritualforschung wie der historischen Anthropologie.
Epochenbewusstsein und historisches Denken in der Kunst des Mittelalters
Wieweit historisches Bewusstsein und historisches Wissen schon im Mittelalter auf die Bewahrung, Kanonisierung und Wiederkehr künstlerischer Traditionen einwirkte und wie es sich artikulierte, soll an Texten und Monumenten aus verschiedenen Kontexten untersucht werden. Zum Themenspektrum gehören der Umgang mit den Denkmälern der Antike und der eigenen Kultur durch Sammeln, Erneuern und ihre Aktualisierung in öffentlichen Akten und Zeremonien, durch Traditionskonstruktionen und Gründungslegenden, aber auch der Gegensatz von Traditionsbewusstsein und Erneuerungswillen, der an Orten mit ehrwürdiger Überlieferung zum Konfliktfall werden konnte.
Diese stärker kulturwissenschaftliche Fragestellung, die für viele Phänomene künstlerischer Traditionsbildung und episodischer „Renaissancen“ von Bedeutung ist, eröffnet Perspektiven für den Austausch mit mediävistischen Nachbardisziplinen, aber auch mit der neuzeitlichen Kunstgeschichte, wo historische Denkmodelle seit Beginn zum Selbstverständnis der humanistischen Kunsttheorie gehörten.
Kunst und Kunstpolitik der Höfe im Hoch- und Spätmittelalter
Ausgehend von Studien zur päpstlichen Hofkultur vor Avignon und zum mittelbyzantinischen Kaiserhof, wird der Aufbau eines Forschungsnetzwerkes zu mittelalterlichen Hofkulturen angestrebt, das in seiner Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen die Forschungsimpulse der frühneuzeitlichen Residenzenforschung auf anderen Gebieten weiterentwickeln und stärker die Höfe des Mittelmeerraums (Oberitalien, Sizilien, Südfrankreich, Kastilien, Al-Andalus, Mallorca) einbeziehen soll.