Marlene Draing
Das Promotionsprojekt „Streit um die Tagesordnung. Die zeitliche Organisation parlamentarischer Praxis im Bundestag und der Assemblée Nationale nach 1945“ fragt nach Zeit als machtpolitischer Ressource in der deutschen und französischen Parlamentarismusgeschichte seit 1945. Dabei soll zunächst untersucht werden, wie Zeit im Deutschen Bundestag und der Assemblée Nationale organisiert und genutzt wurde. Mit Augenmerk auf ihre zeitlichen Bestimmungen stehen dabei einerseits die Genese, Reformen und damit verbundenen Debatten der Geschäftsordnungen beider Parlamente im Mittelpunkt. Andererseits sollen die tatsächliche Umsetzung dieser Zeitordnungen und ihre praktischen Folgen im Fokus stehen. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive soll in diesem Zusammenhang auch der Frage nachgegangen werden, welchen Einfluss die verschiedenen Bemühungen der Parlamentsreformer*innen auf den parlamentarischen Alltag und die Lebenswelt der Abgeordneten hatten.
Für eine historische Einordnung der Eigenzeiten des Deutschen Bundestags und der Assemblée Nationale blickt die Arbeit zudem über die Parlamentsgrenzen hinaus. In diesem Ansatz verbindet sich eine auf Parlamentsinterna und demokratische Verfahren gerichtete Untersuchung mit außerparlamentarischen, politik- und gesellschaftsgeschichtlichen Fragestellungen. Innerhalb welcher politischen Realitäten entbrannten Debatten über die zeitgenössischen parlamentarischen Zeitbestimmungen? Welche gesellschaftlichen Bewegungen spiegelten sich in den sich fortlaufend reformierenden Zeitbestimmungen der Parlamente? Inwiefern beeinflusste das Wissen um die Bedeutung medialer Repräsentation die beiden Parlamente?
In seinem Vorhaben kann das Projekt unter anderem auf politikwissenschaftliche Untersuchungen auf dem Gebiet der Polity sowie demokratietheoretische Überlegungen zu Deliberation, Repräsentation und legislativer Effizienz aufbauen. Gleichzeitig kann es an Beobachtungen von parlamentshistorischen Professionalisierungs- und Differenzierungsphänomenen anknüpfen. Ziel der zeitgeschichtlichen Untersuchung ist somit die Erforschung (und letztlich die Betonung) der Bedeutung zeittaktischer Aspekte in parlamentarischen Prozessen und Ergebnissen in Frankreich und der Bundesrepublik. Durch die Verbindung des Temporal Turn mit der Methode des historischen Vergleichs wird dabei eine Erweiterung des demokratiegeschichtlichen Wissenskanons angestrebt.
Akademischer Werdegang
Seit 2024 Dissertationsprojekt an der Georg-August-Universität Göttingen als Fellow der Gerda Henkel Stiftung: Forschungsgruppe „Die ‚Zeit‘ der Demokratie“
2021-2024 Masterstudium an der Universität Hamburg, Fach: Geschichte
Titel der Abschlussarbeit: Das Instrument des Gemeindebestimmungsrechts als Indikator für das Demokratieverständnis in den Weimarer Reichstagsdebatten um die „Alkoholfrage“
2019-2024 Verschiedene Tätigkeiten als Tutorin und studentische Hilfskraft am Fachbereich Geschichte der Universität Hamburg, Arbeitsbereiche: Deutsche Geschichte und Public History
2017-2021 Bachelorstudium an der Universität Hamburg, Hauptfach: Geschichte, Nebenfach: Öffentliches Recht
Titel der Abschlussarbeit: Die BGB-Kodifikation als Chance auf mehr Gerechtigkeit für die Ehefrau? Die Debatte zur ehelichen Gütertrennung 1894-1896
Spielvogel, Anna; Draing, Marlene: Tagungsbericht: „Konkurrenz – Repräsentation – Zusammenarbeit“. Historische Perspektiven auf 75 Jahre Fraktionen im Deutschen Bundestag, in: H-Soz-Kult, online 25.07.2024, URL: www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-145384.