Schwerpunkt "Migrations- und Grenzregimeforschung"


Von besonderem Nutzen für unsere Forschungen ist der Regime-Begriff. Der Regimebegriff bezeichnet ein „mehr oder weniger ungeordnetes Ensemble von Praktiken und Wissens-Macht-Komplexen“. Der Regimebegriff bezeichnet kein von oben, von Staatsmächten oder mächtigen Bevölkerungsgruppen implementiertes System. Vielmehr zielt er darauf ab, dass Regulationen Produkte von Auseinandersetzungen und Aushandlungen zwischen verschiedenen Akteure sind, wobei nicht etwa der Staat auf der einen und die Bewegung der Migration auf der anderen Seite zu lokalisieren wären. Eine solche Dichotomie ist schon deswegen im Sinne eines Regimebegriffes nicht formulierbar, da er darauf abzielt, diese großen Entitäten zu dekonstruieren und damit einer kulturanthropologischen Forschungsperspektive zu öffnen. Wir plädieren also für eine Perspektive, die sich nicht nur den programmatischen Turns von Regimen zuwendet, sondern auch den Subjektivierungen dieser Turns in der Praxis und damit auch den Techniken und Akteure dieser Turns. Wir plädieren für eine Querschnittsperspektive „Regime“ - wir würden alternativ auch von „Assemblagen“ sprechen. Denn mit Regimen und/oder Assemblagen treten Aushandlungen und Emergenzen, Veränderungen und Genealogien in den Vordergrund. Ein solche Perspektive ist wissensreflexiv: Sie fragt danach, wie Kategorien wie „Migration“ oder „Migrant“ überhaupt möglich wurden und wie sie sich mit anderen Rationalitäten, etwa menschenrechtlicher oder humanitärer Art, verbinden und damit neue Ensembles aber auch neue Subjekte hervorbringen.

Eine Perspektive des „research on the move“ bedeutet methodisch gesehen, an einzelnen Punkten und Aushandlungen anzusetzen und im Anschluss den Trajektorien und Verbindungen zu folgen, welche sich durch sie durchziehen. Das bedeutet Verflechtungen zu entwirren und den Akteuren zu folgen, beziehungsweise ihre Bewegungen zu rekonstruieren. Unsere Forschungsarbeiten, verstehen wir dabei als Schlaglichter auf Veränderungen des Migrations- und Grenzregimes, die einen punktuellen Zugang zu einem sich permanent verändernden Wissens-Macht-Netzwerk eröffnen.
Wir gehen in unseren Projekten, welche sich mit unterschiedlichen Facetten des Migrations- und Grenzregimes auseinandersetzten, folgenden Fragen nach:

  • Wie lässt sich die Humanitarisierung/Vermenschenrechtlichung des Grenzregimes beschreiben? Wann und unter welchen Voraussetzungen lässt sich derartiges beobachten? In welchem Verhältnis steht diese „humanitäre Macht“ zur „Versicherheitlichung“ der Grenz- und Migrationspolitik?
  • Wie wird Umwelt- Flucht, die Flucht aufgrund von Umwelt- bzw. Klimaveränderungen, als Gegenstand konstruiert und kategorisiert, um zum Objekt asylpolitischer Regulation zu werden?
  • Wie manifestieren sich die gegenwärtigen Praktiken der Regierung der Migration diskursiv und praktisch? Wie lassen sich die Rationalitäten, Intentionen und Begehren, die in Europa auf die Migration gerichtet sind, erforschen und darstellen? Welche Bedeutung hat ein Verständnis des Regierens von Migration als Assemblage für die Europäisierungsforschung?


Forschungsprojekte in diesem Schwerpunkt:

Reza Bayat
Gesellschaftspolitische Faktoren krankheitsverursachender Umstände der Migration: Eine ethnographische Studie über iranische MigrantInnen und Geflüchtete in Deutschland
Die Forschungsarbeit setzt sich mit sozialen und politischen Faktoren auseinander, die als alltägliche, krankheitsverursachende Umstände betrachtet werden können, unter denen iranische MigrantInnen und Geflüchtete in Deutschland leben. Die Forschung versucht, eine Ethnographie von Lebensumständen im Migrationsprozess zu entwickeln, die Traumatas bewirken oder eine Krankheit auslösen können. Dabei wird der Fokus auf Trauma und Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als die am häufigsten auftrettenden Störungen der Migration gelegt, um zu Erkenntnissen über gesellschaftspolitische Faktoren von krankheitsverursachenden Umständen der Migration zu gelangen. Die Arbeit verfolgt ein doppeltes Ziel: einerseits die Verhältnisse, die „krank“ machen, zu erforschen. Das bringt unter anderem folgende Fragen mit sich: Unter welchen Umständen fühlen sich die iranischen Geflüchteten und MigrantInnen krank? Welche Verhältnisse sind krankheitsverursachend? Wie verhalten sich die Menschen unter diesen Umständen? Welche Handlungen entwickeln sie, um mit diesen Umständen umzugehen? Andererseits versucht die Arbeit, die Rolle des Psychischen Traumas und der PTBS, die die Subjektivität, Akteure und Agencies produziert, sowie Begriffe und Konzepte, die sich verändern und die Räume, die entstehen, zu erfassen.

Sebastian Benedikt
Beyond Rightlessness? An ethnography of illegalised migrants and their struggles for law from below
The threshold for the overt and systemic violation of migrants’ rights is being gradually transposed from the margins to the center of EUrope. Transgressions of legal norms by state agencies permeate the everyday lives of migrants and asylum seekers, who struggle to access their rights. Focusing on situations of “de-facto rightlessness”, this project sheds light on the so-called reception crisis in Belgium, where for more than two years now, thousands of asylum seekers are sleeping rough due to the failure of the authorities to provide shelter. Lawyers, volunteers, and activists have been accompanying the people on the streets and have taken legal action in various ways. So far, they have been vindicated in every instance, from domestic courts to the ECtHR. While the relevant authorities are ignoring the rulings, asylum seekers have occupied buildings all over Brussels. The apparent and active abandonment of racialized subjects despite their legal rights and the failure to comply with the corresponding court orders have brought to the center of EUrope a situation of contested “lawlessness” that is more familiar to our gazes from the Mediterranean and its peripheries. Through an ethnographic border regime analysis, and from the vantage point of legal anthropology, this research project explores the ways in which migrants mobilize their rights “from below”, as well as the actors and networks that come into play as (legal) intermediaries. Following the hypothesis that in the struggle for asylum and reception, migrants appropriate rights that are denied to them, it is scrutinized how they confront the state as their duty bearer to re-establish their (legal) subjectivity.

Publikationen:

  • Benedikt, S. 2024. “Warum die Demokratie keine Mauern verträgt: zu ‘Hinter Mauern. Geschlossene Grenzen als Gefahr für die offene Gesellschaft’ von Volker M. Heins und Frank Wolff”. Kritische Justiz, 57(2), 267–270. https://doi.org/10.5771/0023-4834-2024-2-267
  • Benedikt, S. 2024. „Contested appropriations: informal migrant settlements as ambiguous spaces beyond temporal borders.“ Journal of International Migration & Integration, 25, 1105–113. https://doi.org/10.1007/s12134-023-01112-x
  • Grube, M., Benedikt, S., Führer, A., Gangarova, T. et al. (AG Forschung der BAG Gesundheit/Illegalität). 2022. „Umgang mit Forschungs- und Kooperationsanfragen zur Gesundheit von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Handreichung für Anlaufstellen und Praxiseinrichtungen.“ Diakonie
  • Offe, J., Benedikt, S., Eger, H. 2022. “Access to (reproductive) health care for migrant women in Germany: legal restrictions for undocumented women and EU migrants.” Parallel report on the ninth state party report of the Federal Government of Germany to the United Nations, prepared for the Committee on the Elimination of Discrimination against Women (CEDAW). Submitted in June 2022. München: Médecins du Monde Germany – Ärzte der Welt e.V. /Doctors of the World Germany.
  • Benedikt, Sebastian. 2020. “Camplessness and the (non-)reception system: the emerging of migrant informality in northern Italy from a human rights perspective.” Deusto Journal of Human Rights, 5, 243-68. https://doi.org/10.18543/djhr.1795
  • Benedikt, Sebastian. 2019. “Along the Brenner Route. The emerging of informal refugee camps in Europe. Bolzano: a case study research.” Lungo La Rotta Del Brennero. Bolzano: Antenne Migranti, Fondazione Alexander Langer Stiftung.

    • Valeria Hänsel
      Managing Migration: Die Re-Stabilisierung des Europäischen Grenzregimes in der Ägäis nach dem ‘langen Sommer der Migration’ durch Inhaftierung und Abschiebung
      Das Promotionsprojekt widmet sich der detaillierten Beforschung der Auswirkungen der EU-Türkei-Erklärung im ägäischen Raum, die 2016 eine der zentralen Antworten auf die Fluchtmigration nach Europa bildete. Es wird aus einer regimetheoretischen ethnographischen Herangehensweise analysiert, wie die griechischen Hotspot-Inseln durch die Erklärung in eine Sonderrechts-Zone verwandelt wurden und welche Auswirkungen dies für Schutzsuchende hat. Ein besonderer Fokus liegt auf der Analyse der Inhaftierungs- und Abschiebepraxis und der damit verbundenen Detainability und Deportatbility im Transitbereich der griechischen Inseln, die erhebliche prekarisierende Auswirkungen hat. Dabei wird auch die Situation von Migrant_innen nach ihrer Abschiebung in der Türkei untersucht und analysiert, wie Menschen einerseits in türkischen Gefängnissen festgesetzt, und andererseits in ständiger Mobilität gefangen gehalten werden. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, was dieses Phänomen für die Konfiguration des Europäischen Grenzregimes seit 2015 bedeutet und wie die Folgen des EU-Türkei Deals das kommende Europäische Grenzregime prägen und beeinflussen.

      Publikationen:

      • Hänsel, Valeria; Kasparek, Bernd (2020): Hotspot-Lager als Blaupause für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems? Politikfolgenabschätzung des Hotspot-Ansatzes in Griechenland. Online: https://rat-fuer-migration.de/2020/06/17/hotspot-lager-als-blaupause-fuer-die-reform-des-geas/.
      • Hänsel, Valeria; Hess, Sabine; Schurade, Svenja (2019): Refugee Protection. Country Report Germany. Respond Working Paper. Online: https://www.respondmigration.com/wp-blog/refugee-protection-regimes-germany-country-report-53rk9.
      • Hänsel, Valeria (2019): Gefangene des EU-Türkei Deals. Die Erosion des Europäischen Asylsystems auf der Griechischen Hotspot-Insel Lesbos. Bordermonitoring.eu. Online: https://bordermonitoring.eu/berichte/2019-gefangene-des-deals/.
      • Hänsel, Valeria; Hess, Sabine; Kasparek, Bernd (2019): Border Management and Migration Control. Country Report Germany. Respond Working Paper. Online: https://www.respondmigration.com/wp-blog/2019/2/15/comparative-dataset-on-migration-border-management-and-migration-controls-germany.
      • Hänsel, Valeria (2018): The prison within the prison within the prison. The detention complex of Moria Camp. Deportation Monitoring Aegean.bordermonitoring.eu. Online: https://dm-aegean.bordermonitoring.eu/2018/09/23/the-prison-within-the-prison-within-the-prison-the-detention-complex-of-moria-camp/.

        • Karl Heyer
          Organisierte Unsicherheit? Kontrolle von Migration im Italienischen Regime der Ankunft und Unterbringung
          Das Regime der Ankunft und Unterbringung von Migrant_innen in Italien ist stark gekennzeichnet von Mustern struktureller Nicht-Information, Inkohärenzen und Ambiguität. Dies betrifft quasi alle Aspekte (irregulärer) Migration: vom Weg über das Mittelmeer und der darauffolgenden Sortierung in den sogenannten Hotspots, über räumliche und zeitliche limbo-Situationen z.B. aufgrund abgelegener Aufnahmeeinrichtungen und/oder langwierigen Wartezeiten bei er Bearbeitung von (Asyl-)Anträgen, bis hin zur juristischen Unschärfe und blinden Flecken mit Hinblick auf das Unterbringungssystem und seinen Aufnahmeeinrichtungen.
          Das Promotionsprojekt geht von der Hypothese aus, dass in dieser komplexen Situation Kontrolle über Migration nicht trotz der strukturellen Ambiguitäten und Inkohärenzen, sondern gerade durch diese ausgeübt wird. Zusammengenommen ergeben die vielen fragmentierten Mechanismen und disparaten Praktiken verschiedener Akteure so eine Form von "control by confusion". Ermöglicht und aufrechterhalten wird dieser Zustand wiederum insbesondere durch die daran beteiligten Materialitäten, sprich Raum, Zeit, und die Körperlichkeit der zu kontrollierenden Subjekte selbst.
          Ausgehen vom Konzept der Ethnographischen Grenzregimeanalyse kommen im Forschungsprojekt vor allem Ansätze der Multi-Sited Ethnography und der Trajectory Ethnography zum Einsatz. Feldforschung findet dabei hauptsächlich auf Sizilien statt und umfasst Expert_innen-Interviews, Dokumentenanalyse und teilnehmende Beobachtung.

          Publikationen:

          • kollektiv orangotango+ (Hrsg.). 2018. This Is Not an Atlas: A Global Collection of Counter-Cartographies. Bielefeld: transcript Verlag.

            • Antonia Jordan
              Transkontinentale Migrationsbewegungen vom afrikanischen auf den amerikanischen Kontinent: Neue migrationspolitische Verbindungen unter Berücksichtigung der Auswirkungen der EU-Migrationspolitik
              Das Promotionsprojekt leistet einen interdisziplinären Beitrag zur Analyse unionseuropäischer Migrationspolitik und deren Auswirkungen auf das globale Migrationsgeschehen. Es nimmt bislang kaum beachtete Süd-Süd-Migrationsrouten in den Blick und zeigt an deren Beispiel, inwiefern sich die europäische Migrationspolitik sowie die Externalisierung der europäischen Außengrenze auf globale Migrationsrouten auswirken und diese verändern. Die Entwicklungen auf anderen Kontinenten in den Fokus der Forschung zu rücken, ermöglicht es, die EU und ihre Migrationspolitik auch abseits eurozentristischer Blickwinkel zu betrachten. Konkret wird das Promotionsprojekt der Frage nachgehen, welche Konsequenzen aufgrund der restriktiven EU-Migrationspolitik in Süd- und Mittelamerika sichtbar sind. Zudem wird analysiert, welche persönlichen Entscheidungen, Motivationen und Ressourcen afrikanische Migrant:innen auf den amerikanischen Kontinent führen. Ziel ist die Auseinandersetzung mit den komplexen Folgen der europäischen Migrationspolitik außerhalb der EU. Dafür werden EU-Policy-Dokumente vor dem Hintergrund einschlägiger Ansätze kritischer Migrations- und Grenzregimeforschung sowie postkolonialer Studien ausgewertet und diese mit qualitativen Interviews sowie einer ethnographischen Grenzregimeanalyse ergänzt.

              Publikationen:

              • Oettler et al. (2020): Versöhnung auf den Begriff gebracht: kolumbianische Perspektiven. In: Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika. Nomos Verlagsgesellschaft GmbH & Co. KG, S. 211–232.
              • Oettler et al. (2018): Imaginando la Reconciliación. Estudiantes de Bogotá y los múltiples caminos de la historia colombiana. Publicado: Fundación Heinrich Böll Colombia, Bogotá.

                • Khorshid Khodabakhshreshad
                  Neue Konjunkturen der Flüchtlingsunterstützungsarbeit. Zwischen Willkommenskultur und Refugees Welcome. Eine ethnographische genealogische Spurensuche
                  Innerhalb des um die Diskurse von Willkommenskultur und Refugees Welcome konstruierten Feldes untersucht Khorshid Khodabakhshreshad genealogisch die Entwicklungen, Veränderungen und Verschränkungen im Macht-/ Wissenskomplex. Dabei geht sie den Fragen nach, wie Zugehörigkeiten und Ausschlüsse im Feld formiert bzw. hervorgebracht werden/wurden, wie die dabei relevanten Grenzziehungen, Veränderungen und Widersprüche verlaufen und konstruiert, aber auch wie Räume geöffnet werden, und wie diese aufeinander bezogen sind bzw. zusammenwirken. Darüber hinaus untersucht sie, wie sich in diesem Bereich aktive Menschen durch ihre Aktivität politisieren, sich ihre Wahrnehmungen von Migrationspolitik ändern und welche Politisierungen gegebenenfalls stattfinden.

                  Nisrein Malkawi
                  Gewalt gegen syrische Frauen: Eine Feldstudie über die Lebensverhältnisse der syrischen Frauen im Flüchtlingslager Zaatari in Al-Mafrag, Jordanien.
                  Im Rahmen dieser Dissertation wird eine Feldforschung in Jordanien durchgeführt. Der Fokus der Arbeit liegt dabei auf zwei Ebenen: Erstens wird das Flüchtlingslager als Schutzinstitution, aber auch als Versuch des Grenzschutzes präsentiert. Das Flüchtlingslager stellt eine geschlossene Vergesellschaft dar, in denen Flüchtlinge gesammelt und marginalisiert werden. Durch die Betrachtung von Konflikten und Aushandlungen werden die Ordnungsstrukturen, Hierarchien und Machtstrukturen aufgezeigt, die die Ausgrenzung, Ausbeutung und Diskriminierung der Flüchtlinge bewirken. Zweitens fokussiert sich die Arbeit auf genderspezifische Probleme wie häusliche Gewalt und Kinderehe. Die Dissertation basiert auf der Methodologie der Geschlecht- und ethnographischen Grenzregimeanalyse. Es werden Beobachtungen durchgeführt, informelle Gespräche und qualitative Interviews geführt sowie Dokumente und Diskurse analysiert.

                  David Niebauer
                  Umkämpfte Raumordnungen: Politische Auseinandersetzungen um das Gemeinsame Europäische Asylsystem nach der Krise des europäischen Grenzregimes 2015
                  Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit den Asyl- und Grenzpolitiken der Europäischen Union seit dem „Sommer der Migration“ 2015. Im Zentrum steht die Frage, wie im Kontext von krisenhaften (Des-)Integrationsprozessen der EU zwischen Europäisierung, differenzierter Integration und Renationalisierung unterschiedliche Formen und Räume der Migrations- und Grenzkontrolle produziert werden. Das Projekt untersucht hierfür die Maßnahmen und Auswirkungen der Reformverhandlungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die insbesondere in Bezug auf die Verteilung von Asylsuchenden von Uneinigkeiten und Blockaden in und zwischen den EU-Institutionen geprägt sind. Die Dissertation geht den Konfliktlinien in den Aushandlungen nach und analysiert, wie und wo unter diesen Bedingungen der umstrittenen und uneinheitlichen Asyl- und Grenzpolitiken der EU Migrations- und Fluchtbewegungen regiert werden. Dazu wird methodisch die Analyse von Policy-Dokumenten mit Interviewforschung kombiniert, während theoretisch kritische Ansätze der Migrations- und Grenzregimeforschung, der Europaforschung sowie der sozialwissenschaftlichen Raumtheorie nutzbar gemacht werden.

                  Seyma Saylak
                  Migrant Resistance at the EU-Balkan Border
                  West Balkan Route to Europe, which has become more visible after the 2015 so-called ‘long summer of migration’, has been reshaped in a reciprocal process through the years both by the people on the move and the policies on the level of nation-states and the EU. It’s one of the conflict zones where the migrant struggle occurs with solidarity and the fight for freedom of movement. Based on a field study the aim is to look at the knowledge produced by different political subjects for resistance at the Balkan-EU border.

                  Matthias Schmidt-Sembdner
                  Kämpfe um Mobilität im Schengenraum - Ethnographische Einblicke im Grenzraum Italien, Österreich, Deutschland und Frankreich
                  Matthias Schmidt-Sembdner beschäftigt sich in seiner Dissertation mit der Rekonfiguration des Schengenraums und der Konstitution innereuropäischer Grenzen im Anschluss an die Migrationsbewegungen des Jahres 2015. Im Spannungsfeld einer (Re-)Nationalisiserung der Migrations- und Grenzpolitik in Europa, den migrationspolitischen Reformbemühungen der Europäischen Union und der Bewegung der Migration betrachtet Matthias Schmidt-Sembdner die mikropolitischen Prozesse an den von ihm untersuchten Grenzregionen. Er möchte zeigen, wie sich die Praktiken von Behörden, MigrantInnen und nichtstaatlichen AkteurInnen an den Grenzübergängen auf die Konfiguration des Schengenraums auswirken und wie sie mit Hinblick auf die Reformbemühungen der EU, wie am Beispiel des Dublin-Systems, zu interpretieren sind.

                  Publikationen:

                  • Schmidt-Sembdner, Matthias. 2019. Europa und die Bewegung der Migration. Das Dublin-System im Kontext nationaler Grenzkontrollen entlang der Brenner-Route. In: Konfliktfeld Fluchtmigration. Reinhard Johler, Jan Lange, Hg. S. 249-264. Bielefeld: Transcript.
                  • Schmidt-Sembdner, Matthias mit Bernd Kasparek. 2019. Renationalization and spaces of migration: the European border regime after 2015. In: Handbook on Critical Geographies of Migration. Katharyne Mitchell, Reece Jones, Jennifer L. Fluri, Hg. S. 206-218. Cheltenham & Northampton: Edward Elgar.
                  • Schmidt-Sembdner, Matthias. 2018. Grenzkontrollen als »dauerhaftes Provisorium«? Renationalisierungsprozesse im Schengenraum am Beispiel der Brennerroute. In: movements. Journal for Ciritcal Migration and Border Regime Studies. 4 (2). S. 57-76.
                  • Schmidt-Sembdner, Matthias mit Bernd Kasparek. 2017. Towards Democracy. Die Bewegung der Migration und die Demokratisierung des europäischen Projektes. In: Europe - what's left? Die Europäische Union zwischen Zerfall, Autoritarismus und demokratischer Erneuerung. Mario Candeias, Alex Demirović, Hg. S. 175-191. Münster: Westfälisches Dampfboot.
                  • Schmidt, Matthias. 2015. Zwischen Moral und Skandal. Humanitarismus und Menschenrechte in der Migrations- und Grenzpolitik Marokkos. In: movements. Journal für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung 1 (1).
                  • Schmidt, Matthias. 2014. Menschenrechte und Migration. Das Beispiel Marokko. In: Studien aus dem Münchener Institut für Ethnologie. Dürr, Eveline, Frank Heidemann, Thomas Reinhardt und Martin Sökefeld, Hg. Band 10.
                  • Schmidt, Matthias und Bernd Kasparek. 2013. Residenzpflicht. In: Widersprüche. 127. S. 43-48.
                  • Schmidt, Matthias, Antonella Giamattei, Bernd Kasparek und Sarah Sembdner. 2013. Italien: Vai Via! Zur Situation der Flüchtlinge in Italien. Ergebnisse einer einjährigen Recherche. München: bordermonitoring.eu

                    • Svenja Schurade
                      Organisation von Abschiebungen. Eine exemplarische Untersuchung von Institutionellem Rassismus in Deutschland
                      Dieses Forschungsvorhaben folgen den Orten, Akteur*innen und Konfliktlinien entlang des Prozesses der Organisation von Abschiebung. Dabei wird das Innenleben, die Logiken, Routinen und Rationalisierungen der an Abschiebungen beteiligten staatlichen Akteur*innen und Institutionen fokussiert. Die Forschungsarbeit soll aufbauend auf rassismustheoretischen Überlegungen, erweitert durch regime- und hegemonietheoretische Bezüge, sowie institutionenanalytische Ansätze die bisher unterbeleuchtete Rolle der einzelnen Akteur*innen eingebettet in ihre gesellschaftlichen Kontexte und Wechselwirkungen betrachten. Dabei geht es konkret um die Frage, welche gesellschaftlichen Kämpfe, Debatten und Aushandlung inwiefern Eingang in die Logiken der am Abschiebeprozess beteiligten Institutionen finden?
                      Diese Forschung verfolgt dabei das primäre Ziel einer empirisch ethnographischen Untersuchung der im Abschiebeprozess beteiligten staatlichen Institutionen. Dabei soll die Institutionalisierung von Rassismus in den Blick genommen werden, um damit einen Beitrag in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion um Institutionellen Rassismus zu leisten.
                      Es werden folgende Kernfragen gestellt: Welche Handlungs- und Ermessensspielräume werden anhand welcher Prinzipien auf- und ausgeführt? Welche Wissensbestände, strukturellen Logiken, Alltagspraxen, Routinen und Selbstverständnisse wirken auf die Entscheidungsprozesse? Welche institutionellen und bürokratischen Eigenlogiken wirken auf die Alltagspraxen der beteiligten Akteur*innen? Welche Interaktionen, Konflikte und Wechselwirkungen bestehen zwischen den verschiedenen, am
                      Abschiebeprozess beteiligten Akteur*innen? Welche Gesetze, Verordnungen, informellen Absprachen finden auf welche Weise Anwendung?

                      Publikationen: https://www.uni-goettingen.de/de/publikationen/681477.html

                      H. Pinar Senoguz
                      Border Politics, Syrian Refugees and Violence in the Southeastern Margins of Turkey
                      New wars in the Middle East and geopolitical interests have generated mobilities and conflicts across the region and galvanized struggles that contest the borders across and within the nation, including symbolic boundaries of inclusion and exclusion. Following Didier Fassin's notion of border politics, the research project conceives the struggles over literal and figurative borders as indispensable for understanding how the Syrian immigration is governed and experienced in the southeastern margins of Turkey. The border politics among the state actors and ordinary citizens coalesce around the question of distinguishing between the acceptable and the unacceptable refugee, facing different categorizations that may fall often into exception in the realm of international humanitarian law. Drawing on a field study, the project aims at revealing how these struggles may oppose, reconfigure and worsen preexisting relations of inequality among the local and refugee communities.

                      Publikationen:

                      • Notes from the Back-Alleys of a Turkish Border City: The Locals, the Syrians and the 15 July Coup Attempt in Gaziantep, field report, Harek(et)Act, 1 October 2016.
                      • Border Contestations, Syrian Refugees and Violence in the Southeastern Margins of Turkey. In: Movements: Journal for Critical Migration and Border Regime Studies, 3(2): 163-176.
                      • with Carpi, Estella. 2018. Refugee Hospitality in Lebanon and Turkey. On Making ‘the Other’. In: Journal of International Migration, Special Issue on Syrian Refugees: Facing Challenges, Making Choices, forthcoming.

                        • Marc Speer
                          Die Geburt der humanitären Grenze. Eine mehrörtige Netzwerkanalyse zur Transformation des Migrations- und Grenzregimes in Osteuropa
                          Marc Speer begibt sich in seiner Dissertation auf die Suche nach der „humanitarian border“ (William Walters) in Ungarn, Serbien und der Ukraine. Die leitenden Forschungsfragen sind dabei, wann und in welcher Art und Weise „humanitäre Macht“ im Regieren von Migration in den Forschungsdimensionen Grenzübertritt, Inhaftierung und soziale Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu beobachten ist. Um dies zu untersuchen, greift Marc Speer methodisch vor allem auf Überlegungen aus der ethnographischen Grenzregimeanalyse und der activist research zurück.