Lehrstuhl für Neuere Geschichte - Prof. Dr. Rebekka Habermas
Von 2000 bis 2023 forschte und lehrte Rebekka Habermas als Lehrstuhl-Inhaberin und Professorin für Neuere Geschichte an der Universität Göttingen. Dass sie im Dezember 2023 nach langer schwerer Krankheit verstorben ist, hat uns tief erschüttert.
Rebekka Habermasʼ Forschungsinteressen waren vielseitig. Ihre Monographien zur Katholizismusforschung, zur Geschichte des Bürgertums, zur Kriminalitätsgeschichte und zur Kolonialgeschichte eröffneten jeweils ganz neue Perspektiven auf ihre Gegenstände und stießen national und international auf große Resonanz. Ihre Forschungsarbeiten ließen Menschen hervortreten, die Geschichte machten und bis dahin kaum im Zentrum historischer Forschung standen: wallfahrende Menschen im frühneuzeitlichen Oberbayern; „Frauen und Männer“ des Nürnberger Bürgertums; „Diebe vor Gericht“ in Hessen im 19. Jahrhundert; Menschen, die koloniale Herrschaft in Togo ausübten und jene, die sie erlitten, sich darin aber nicht ergaben. Rebekka Habermas fragte nach dem „Wie“ in der Geschichte, nach den Praktiken von Akteurinnen und Akteuren, nach deren Erfahrungen und nach der Art und Weise, wie sie ihrer jeweiligen Welt begegneten und sie formten. Mit nachdenklichen und kraftvollen Artikeln in überregionalen Zeitungen intervenierte sie in gesellschaftliche Debatten, vor kurzem noch zur Rückgabe der Benin-Bronzen oder zur Geschichte der Sklaverei.
Wichtige Bezugspunkte ihres Arbeitens waren Schlüsselwerke der Kultur- und Sozialanthropologie, eine Richtung, die sie für das historische Arbeiten wegweisend miterschlossen hat – nicht zuletzt als Herausgeberin der Historischen Anthropologie. Für Rebekka Habermas war der Blick über den Tellerrand der geschichtswissenschaftlichen Forschung eine Selbstverständlichkeit, Interdisziplinarität keine bloße Worthülse, sondern Bereicherung für ihre Arbeit. An der Universität Göttingen engagierte sie sich für die Geschlechterforschung und im Zentrum für Theorien und Methoden; als Mitglied des Wissenschaftsrates für die deutsche Wissenschaftslandschaft.
Ihre Freude an neuen Fragestellungen und Perspektiven, an der Arbeit im Archiv und mit historischem Quellenmaterial sowie ihren humanistischen Ansatz, Geschichte von unten, von den Menschen her zu schreiben, gab Rebekka Habermas stets auch in ihren Lehrveranstaltungen weiter. In ihrer Zeit in Göttingen hat sie zahlreiche Studierende unterrichtet, Abschlussarbeiten und Promotionen betreut und Habilitationen begleitet. Ihre Art, Fragen zu stellen, zu unterstützen, Mut zu machen und anzuspornen, fehlt uns sehr. Dankbar blicken wir auf das zurück, was wir von ihr gelernt haben.
Das gesamte Lehrstuhl-Team im Frühjahr 2024
Am 06.11.2024 findet eine Podiumsdiskussion mit Carolin Kosuch zum Thema "Death and Dying" als Teil der Reihe Nonreligion, Past, and Present: Interdisciplinary Conversations statt.
Pressebericht des Göttinger Tageblatts vom 25.09.2024 zur Ausstellung Göttingen kolonial, die unter der Leitung von Karolin Wetjen und Charlotte Prauß von Studierenden in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Göttingen erarbeitet wurde.
Am 22.09.2024 wurde die Ausstellung Göttingen kolonial eröffnet, die im Rahmen eines Projektseminars in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Göttingen entstanden ist.
In Erinnerung an Prof. Rebekka Habermas haben Karolin Wetjen, Philipp Müller, Richard Hölzl und Bettina Brockmeyer einen Sammelband herausgegeben. Schweigen machen Zugänge zur Geschichte der Moderne ist hier erhältlich.
Lehrstuhl für Neuere Geschichte
Geschichte ist mehr als die bloße Folge von historischen Ereignissen. Es ist nicht allein die Frage nach dem Was, sondern vor allem die Frage nach dem Wie, die uns bewegt und interessiert: Wie eigneten sich Frauen und Männer die ihnen zugedachten Geschlechterrollen an? Auf welche Weise leiteten religiöse Vorstellungen und Begriffe die Prozesse und Dynamiken in modernen Gesellschaften? Wie wirkten Situationen in den Kolonien auf Politik und Gesellschaft in Europa zurück? Auf welche Art und Weise etablierten populäre Medien bestimmte Perspektiven auf soziale Phänomene, machten diese sichtbar und verschwiegen im selben Zuge wesentliche Aspekte derselben?